Oskar Kosog: Diktattext "Aus dem Testamente einer Mutter"
Aus: Oskar Kosog: "Unsere Rechtschreibung und die Notwendigkeit ihrer
gründlichen Reform", Berlin/Leipzig, 1912, S. 9-11.
Es fehlen alle Großbuchstaben und Kommata. Bitte setzen Sie sie ein!
Ebenso sind die Zusammenschreibungen zu erkennen und richtig zu schreiben (Idee: Andy Spiegl, vgl.
Text in Lautschrift).
Liebe kinder!
Heute nacht nahm ich mir vor euch diesen morgen einige lehren
fürs leben des näheren nieder zu schreiben. Leset sie oftmals durch so werdet
ihr euch bei gelegenheit des näheren entsinnen und da nach handeln.
Zwar kann
ich euch nur etwas weniges hinter lassen; aber euch etwas gediegenes lernen zu
lassen dazu habe ich mein bestes ja mein möglichstes getan. Ihr seid alle gut
im stande so daß ihr im stande seid euch redlich durch zu schlagen. Sollte jedoch
einer von euch je in nöten sein so ist es durch aus von nöten daß ihr euch
gegen seitig helft. Seid stets willens euch unter einander zu willen zu sein.
Irrt einer von euch so sollen die übrigen ihn eines anderen und zwar eines
besseren zu belehren versuchen.
Achtet jeder mann vornehme und geringe arm und reich. Seid
keinem feind; denn jemandes feind sein bringt oft unheil. Tut niemand ein leid
an so wird man euch nicht leicht etwas zu leide tun. Euer seliger vater sagte
oft zu seinen schülern: "tut nie böses so wider fährt euch nichts böses."
Macht euch eine abrahamsche friedfertigkeit zu eigen in dem ihr im streit nach dem
abrahamschen wort handelt: "gehst du zur rechten so gehe ich zur linken."
Wer von euch der klügste sein will der handle nach dem sprichwort:
"der klügste gibt nach.". Tut nie unrecht; seid ihr aber im recht so
habt ihr recht ja das größte recht wenn ihr euer recht sucht und ihr werdet dann
im allgemeinen auch recht behalten.
Laßt nichts außer acht ja außer aller acht wenn ihr
freundschaft schließt. Wählt nicht den ersten besten als freund und sorgt daß
ihr unter euern mitarbeitern nie die letzten seid. Wollt ihr wichtiges zu wege
bringen so müßt ihr ernstlich zu werke gehen.
Sucht auf dem laufenden zu
bleiben und zieht nie eine ernste sache ins lächerliche;
denn etwas lächerliches gibt es nicht. Verachtet nie das
leichte dann wird es euch schließlich ein leichtes auch das schwierigste zu
über winden. Es ist aber das schwierigste daß man sich selbst bezwingt. Seid ihr
in einer angelegenheit im dunkeln so übt vorsicht denn im dunkeln stößt
man leicht an. Seid auch im geringsten nicht im geringsten untreu. Zum letzten
rate ich euch folgendes: befolgt das vorstehende so braucht euch nicht angst zu
sein; ohne angst könnt ihr dann zu guter letzt auf das beste stand halten auf
das beste hoffen und zeit eures lebens dem
schicksal trotz bieten.
Das Oskar Kosog'sche Diktat
Siehe auch bei Andy Spiegl: Kosogsches Diktat - das schwierigste deutsche Diktat!
Ingolf Giese, 15. Februar 2001 (9. Oktober 1997)